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Viereinhalb Stunden später legt die Fähre in Puerto Montt an. Was für ein Unterschied zum ländlichen Patagonien, ich bin froh wieder in einer Stadt zu sein und komme in einer schönen Hospedaje unter, die von einer schweizerischen Künstlerin geleitet wird. In Puerto Montt herrscht Leben auf der Straße, auf den Märkten herrscht Gedränge, es gibt Verkaufsstände auf den Gehsteigen und viele Türen stehen offen. Dinge die ich im Großen Süden Chiles vermisst habe.

Hospedaje Suiza

Algenverkäufer

Nach zwei Tagen fahre ich mit dem Bus weiter nach Villarica. 300 km Autobahn bei Regen, erst gegen abend klart der Himmel auf. In der Stadt bleibe ich nur kurz um den Apfelstrudel zu testen (sehr empfehlenswert!) und fahre am See entlang weiter nach Pucon. Auf der Straße herrscht während der Hochsaison viel Verkehr. Beide Orte sind völlig von Touristen überlaufen. Hier geht es zu wie im Zillertal im Juli, allein Vulkane und Vegetation passen nicht so richtig ins Bild. In der Umgebung stehen viele Araucarien, 30 - 50 m hohe Nadelbäume mit riesigen Nadeln die wie Blätter aussehen.

Araucaria araucana

Nach drei Tagen des Wartens klart das Wetter auf und ich mache mich auf, den aktiven Vulkan Villarica zu besteigen. Der Gipfel ist nur 2840 m hoch und in "normalen" Jahren nahezu schneefrei. In diesem Sommer hat es jedoch sehr viel geregnet und geschneit, so dass man ab 1700 m über harte Schneefelder geht. Um 12 Uhr stehe ich am Kraterrand. Die glühende Magma läßt sich in den stinkenden Schwefelschwaden nur erahnen, aber der Ausblick nach Westen bis zum Pazifik, auf die Seenlandschaft und die anderen Vulkane, die in einer Reihe stehen ist fantastisch. Ich bleibe fast zwei Stunden staunend am Gipfel. Der Abstieg geht auf dem Hosenboden schnell vorbei.

Vulkan Villarica

Vulkankrater

Zurück in Pucon suche ich mir eine neue, ruhigere Hospedaje, in der ersten haben israelische Jugendliche jede Nacht durchgefeiert und verbringe den Abend mit chilenischen Freunden in einer Kneipe.

Am nächsten Tag regnet es wieder und ich fahre mit dem Bus nach Temuco, eine angenehme lebendige Stadt mit 200.000 Einwohnern und ohne Touristen. Die Märkte rund um den zentralen Platz sind allein einen Besuch wert. Abends verlade ich das Fahrrad auf den Autozug und steige in den Schlafwagen nach Santiago. Die Waggons wurden 1929 in Breslau gebaut und haben immer noch einen gediegenen Luxus aus einer längst vergangenen Zeit. Selbst der Schaffner passt bestens dazu. Beim Rattern des Zuges läßt es sich angenehm schlafen.

Chilenischer Zug

Im Schlafwagen

Nach einem guten Frühstück im Speisewagen fährt der Zug in Santiago de Chile ein, der pulsierenden Hauptstadt des Landes. Die Stadt hat über 5.000.000 Einwohner und ist das politische und wirtschaftliche Zentrum Chiles, auch wenn das chilenische Parlament in Valparaíso tagt. Als Fahrradfahrer ist die Stadt eher ein Greul, es gibt keine Radwege und auf den Straßen muss man mit Taxis und 15.000 Bussen um jeden Zentimeter kämpfen. Hier will ich nicht lange bleiben und kaufe ein Busticket nach La Serena für den nächsten Morgen. Ein Bleibe zu finden ist nicht einfach und ich komme in der Altstadt in einem netten, ruhigen Hostal mit kühlem Innenhof unter. Ich nutze den Tag, um mir die Stadt anzuschauen, zwei dicke Bücher über Chile zu kaufen und eine Karte vom Lullaillaco (einem hohen Vulkan im Norden des Landes) beim Instituto Geografico Militar zu kopieren.

In der belebten Fußgängerzone bei der Placa des Armas treffe ich zufällig einen deutschen Reiseradler, der aus dem Norden Chiles kommt und auf seinen Heimflug wartet. Eine gute Gelegenheit, Informationen aus erster Hand über die Pisten der Atacama zu erhalten. Wir setzen uns in ein Straßencafé und während wir auf unsere Getränke warten wird ihm seine Lenkertasche unter dem Stuhl hinweg gestohlen. Darin waren Pass, Ticket, etwas Geld, Geschenke für die zuhause und der Fotoapperat. Im Gedränge konnte sich der Dieb unbemerkt aus dem Staub machen.

Das stärkt nicht gerade mein Vertrauen in die Sicherheit auf den Straßen, trotz massiver Polizeipräsenz. Deshalb bleibt meine Kamera im Hotelsafe. Abends fahre ich mit der Metro nach Las Condes zu Freunden, die für eine deutsche Versicherung die Vertretung in Chile leiten. Las Condes ist das moderne Nobelviertel der Stadt mit Ausblick auf die Andenriesen. Sie haben eine 150 m² Penthousewohnung für 1100 Euro/Monat. Für mich ein krasser Gegensatz zu den vielen Obdachlosen im Zentrum der Stadt.

Busunternehmen in Chile sind erstaunlich gut organisiert. Die Buchung geht online, die Preise sind günstig und die Geschwindigkeit hoch. Am meisten überrascht mich immer wieder die Pünktlichkeit, die Deutsche Bahn könnte sich ein Beispiel daran nehmen. Nördlich von Santiago wird die Landschaft bald trockener. In La Serena fallen im Schnitt 90 mm Jahresniederschlag, entsprechend kahl ist die Landschaft. Ich fahre abends noch aus der Stadt ins 65 km entfernte Vicuña. Ein leichter Wind schiebt mich bei lauen Abendtemperaturen durch die Flussoase bergauf. Die umliegenden Berge sind bereits 3.000 bis 4.000 m hoch und völlig kahl.

Valle del Elqui

Vicuña ist eine kleine verschlafene Stadt die vom Tourismus und ihren bewässerten Obstplantagen lebt. Hier wächst ein Großteil des chilenischen Weins. Rechts und links der Straße erstrecken sich grüne Gärten mit Zitrusfrüchten.

Am nächsten Morgen breche ich nach Pisco Elqui auf, es geht 41 km stetig bergauf und wird zunehmend wärmer. Im Ort wurde wurde Gariela Mistral geboren, die chilenische Literaturnobelpreisträgerin. Auf 1265 m endet die Teerstraße. Von hier sind es nur noch 180 km bis zum Paso del Aqua Nero und dem Grenzübergang nach Argentinien auf 4765 m. Die Strecke spare ich mir für ein anderes Mal auf. Im Ort gibt es ein schönes deutsches Café mit gutem Kuchen. Der Sohn der Besitzerin führt mich in eine enge Schlucht mit einem Wasserfall, welch traumhafter Ort zum Baden. Auf dem Rückweg kämpfe ich bergab gegen den starken Wind vom Pazifik in Richtung Anden.

Pisco Elqui

Abends ergattere ich den letzten Platz auf der Tour zum Observatorium von Vicuña. Durch die klare, staubfreie Luft und die Höhe stehen in dieser Ecke der Welt einige der größten Teleskope der Südhalbkugel und der Welt. Vicuña hat zwar nur kleine Teleskope, dafür hat man hier die Möglichkeit selbst die Sterne zu sehen. So sehe ich zum ersten Mal die Monde des Jupiter und die Ringe des Saturn.

Am nächsten Morgen radle ich früh zurück nach La Serena und verbringe den Tag unter schattigen Bäumen und am Strand. Trotz 30° südlicher Breite, vergleichbar mit Brisbane in Australien, laden 15°C Wassertemperatur und 20°C Aussentemperatur nicht zum Baden ein. Schuld daran ist Humboldtstrom, der kaltes und fischreiches Wasser aus der Arktis an die chilenische Küste bringt. Um 9 Uhr abends besteige ich den Nachtbus nach Taltal weitere 700 km im Norden.

Leuchtturm von La Serena

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