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3 Monate mit dem Fahrrad durch Südamerika

1. April 2002: Mein erfolgreicher Trainingswinter endet abrupt in einer relativ leichten Route am Roten Fels im Frankenjura. Die Schmerzen im linken Ellbogen werden unerträglich. Diagnose: akute Tendinitis. Damit war mein Klettersommer für den ich so große Pläne hatte beendet, bevor er überhaupt begonnen hatte. Sechs Wochen später schalte ich folgende Anzeige im Panorama, der Mitgliederzeitschrift des Deutschen Alpenvereins: Suche Reisepartner/in für eine Radreise im nächsten Winter durch Südamerika mit Ausflügen in die Berge. Und verbringe den Sommer auf dem Rennrad und Spanisch lernend. Anfang August erhalte ich eine Email von Birgit aus Kösching, ob wir zusammen fahren wollen.

Am 27. Dezember stehen wir nach 24 Stunden im Flugzeug und auf diversen Flughäfen in Punta Arenas an der Magellanstraße und lassen uns den Wind um die Nase wehen. Wir nutzen die nächsten drei Tage um Verpflegung einzukaufen, die Räder zusammenzubauen, einen Abstecher mit der Fähre nach Feuerland zu machen und den geographischen Mittelpunkt Chiles zu besuchen. Dieser befindet sich 20 km südlich der Stadt, da Chile Anteile an der Antarktis beansprucht. Von hier sind es 5000 km zum Südpol und nach Arica an der peruanischen Grenze. An der schmalsten Stelle bei Puerto Natales ist Chile gerade 24 km breit. Ein Land der geographischen Extreme. Kühl gemäßigter Regenwald, Gletscher und steter stürmischer Westwind im Süden und extreme Trockenheit und Hitze im Norden. Dazwischen gemäßigte Zonen, die in vieler Hinsicht den Klimazonen Europas ähneln.

Krämerladen auf Feuerland

Am Neujahrstag 2003 brechen wir in Richtung Norden auf, Ziel ist Puerto Natales und der Paine Nationalpark 250 km weiter im Norden. Der Himmel ist bedeckt, bei 18° C kommt der Wind mit 20 km/h aus Westen. Die Straße ist frisch geteert und es geht leicht bergauf und bergab. Nördlich des Flughafens herrscht sehr wenig Verkehr. Nach drei Stunden machen wir bei Pferdezüchtern auf einer Ranch Mittagspause. Die Landschaft ist sehr karg und die Menschen leben von der Pferde- und Schafzucht. In der erste Nacht stellen wir das Zelt an einem windgeschützten Fleck unweit der Straße auf. Den ersten Platzregen am nächsten Morgen verbringen wir in einem kleinen Laden am Straßenrand bei heißer Schokolade und Kuchen. Abends führt links eine Schotterpiste zu einer Estancia, die Übernachtungen für durchreisende Touristen anbietet. Wir werden von einer alten Dame durch das Herrschaftshaus geführt und man fühlt sich in längst vergangene Zeiten zurückversetzt, in denen Wolle noch Reichtum bedeutete. Ihr Vater hatte Anfang des 20. Jahrhunderts das riesige Anwesen gegründet. Nach einem mehrgängigen Dinner fallen wir in weiche, bequeme Betten. Am nächsten Morgen werden wir mit einem englischen Frühstück und schönstem Wetter begrüßt.

Pampa

Estancia

Nach drei km wendet sich die Straße in Richtung Westen und der immer stärker werdende Wind reisst uns aus den Träumen. Ab Mittag bläst der Wind mit voller Sturmstärke aus Nordwest und wir haben gerade mal 13 km geschafft. Wir verbringen den Tag bei Tee und Schokolade in einem Cafe am Straßenrand. Unser Versuch von dort weiterzukommen, endet nach einer Stunde und weiteren drei Kilometern in einem Bushäuschen. Gerade als wir uns dort häuslich für die Nacht einrichten wollen, kommt ein Bus, der uns in 45 Minuten nach Puerto Natales mitnimmt.

Dort finden wir schnell eine nette Bleibe und fallen nach einem kurzen Abendessen todmüde ins Bett. Am nächsten Morgen scheint wieder die Sonne. Nach dem Frühstück füllen wir unsere Vorräte für eine Woche auf und gehen in einem Internet Cafe vorbei. Birgit erfährt von zu Hause, dass ihr Vater gestorben ist. Wir sind schockiert und sie beschließt zurückzufliegen. Kein Problem mit LAN Chile, ein Flug am nächsten Tag von Punta Arenas nach Santiago läßt sich online buchen. Die Sachen werden umgepackt und wir fahren mit dem Abendbus in drei Stunden zurück nach Punta Arenas. Am nächsten Morgen folgt ein tränenreicher Abschied am Flughafen. Birgit muss den langen Weg zurück nach Deutschland antreten und ich kann die Tour alleine fortsetzen. Auf der Busfahrt zurück nach Puerto Natales bin ich sehr nachdenklich.

Auf dem Weg in den Paine Nationalpark

So packe ich nachmittags noch meine Sachen in die Ortliebtaschen und mache mich auf den Weg zum Paine Nationalpark. Die nächsten 60 km vergehen in drei Stunden wie im Flug, nach zehn km endet der Teerbelag und die Landschaft wird hügeliger. Auf der Schotterpiste muss man sich mehr aufs Rad fahren konzentrieren. Ein nettes chilenisches Pärchen überholt mich mit dem Auto und fragt, wohin ich unterwegs sei, Cusco in Peru ist meine Antwort, was bei Ihnen ein ungläubiges Kopfschütteln auslöst. Ich übernachte in Cerro Castillo in einer kleinen Herberge (Hospedaje), da es viel zu stark aus Nordwest stürmt, als dass ich weiterfahren oder mein Zelt aufbauen wollte. Am nächsten Morgen scheint die Sonne und der Wind hat abgeflaut. Nach einer Stunde hole ich Thomas, einen deutschen Reiseradler aus dem Allgäu ein. Ich hatte ihn schon in Puerto Natales getroffen, er war überrascht, dass ich so schnell aufgeholt hatte. Gerade kann ich Begleitung gut gebrauchen.

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