Seite: 1 | 2 | 3 | 4




Grandiose Landschaft

Xaidulla Pass

4. Woche

Von Mazar geht die Piste durch ein wunderschönes Tal, über einen weiteren hohen Pass (Xaidulla Pass 4950 m) und durch zwei staubige, vergessene Ortschaften (Xaidulla und Dahongliutan). Vor dem Aksai Chin Plateau müssen wir noch den namenlosen Pass davor meistern (5190 m laut GPS Gerät, 5341 m laut Karte). Wir erreichen die Passhöhe erst eine Stunde vor Dunkelheit, oben ist es kalt (-5°C) und sehr windig. Im letzten Licht finden wir noch einen halbwegs windgeschützen Platz für die beiden Zelte. Im bodenlosen Sand gibt es keinen festen Untergrund für die Heringe. Das Aksai Chin ist das höchste Plateau der Erde. Der höchste Punkt liegt auf 7013 m, der tiefste bei 4950 m. Auf einer Strecke von 170 km gibt es keine Ortschaft außer einer Militärbasis, bei der wir Wasser bekommen. Das knapp 50.000 km² große Plateau ist bis auf Tielong (ca. 20 Einwohner) völlig unbewohnt und gehörte bis 1962 zu Indien. Von der Roten Armee wurde unbemerkt die Route 219 darüber gebaut und die Besetzung wurde erst zwei Jahre später entdeckt. Das Plateau wurde von Indien immer wieder zurückgefordert, bisher erfolglos.

Aksai Chin Plateau (4950 m)

Zeltplatz im Nirgendwo


5. Woche

Um Zeit zu gewinnen und Lhasa vor den Winterstürmen zu erreichen, sind wir von Tielong auf zwei LKWs nach Ali (Shiquanhe), der einzigen Stadt im wilden Westen Tibets gefahren. In Ali erinnert wenig an Tibet, es ist eine chinesische Verwaltungs- und Garnisonsstadt und zugleich Provinzhauptstadt von Ngari - der westlichen Provinz der Autonomen Region Xizang. Die Stadt liegt völlig abgelegen auf 4300 m Höhe am Oberlauf des Indus, alle Waren müssen über 1000 km auf der Piste 219 von Karghilik oder 1500 km von Shigatse auf Lastwagen hierher gebracht werden. Beide Straßen sind für PKWs ungeeignet und 2004 gab es noch keinen Flughafen.

Ali (Shiquanhe)

Auf einer Fläche von 305.000 km² (90% der Fläche Deutschlands) leben ca. 80.000 Menschen, davon rund 20.000 in Ali. Die durchschnittliche Höhe der Provinz beträgt 4500 m. In der Stadt bekommen wir auch das begehrte Alien Travel Permit, das die Weiterreise nach Lhasa legimitiert. Ohne dieses Dokument kann sich kein Ausländer in Tibet frei bewegen.

6. Woche

Nach drei Tagen Essen, Baden und Ausspannen brechen wir auf der neu geteerten 219 in Richtung Osten auf. Nach
100 km endet das Teerband, die nächste geteerte Straße bekommen wir erst in Lhatse 1200 km weiter östlich unter die Räder. Von hier unternehmen wir einen Abstecher ins untergegangene Königreich Guge. 


Wolfram auf dem ersten Pass nach Tschada

Die schmale Piste führt von der 219 über zwei teils verschneite Pässe (5400 und 5350 m hoch) nach Tshada, einer kleinen Garnisonsstadt am Sutley. Im Ort sehen wir das erste Mal seit drei Wochen wieder Bäume, da Tschada "nur" auf 3800 m liegt. Wir übernachten im einzigen Hotel am Ort und fahren am nächsten Tag in ungewöhnlicher Wärme 20 km nach Guge.

Auf dem Weg ins Königreich Guge

Die Mauern von Guge

Das Königreich Guge war seit dem 10. Jahrhundert ein blühender Handelsposten im Regenschatten der Himalajakette. Im 17. Jahrhundert wurde es von Truppen aus Ladakh zerstört und nie wieder aufgebaut. Die Festungsanlage wurde in den weichen Sandstein eingegraben und ist während der Kulturrevolution in den 1970er Jahren durch Maos Truppen vollständig zerstört worden.

Von hier geht es auf einem LKW zurück nach Ali, und wir lassen es uns nochmal zwei Tage im Yin Hotel gut gehen. Im Hotel treffen wir ein lustiges schweizer Pärchen (Jennifer und Markus), die auf dem Landweg nach Thailand unterwegs sind. Ihre Geschichte kann man auf ihrer Webseite bigtrip.milsom.ch nachlesen. Zusammen geht es auf der Ladefläche eines tibetischen Pilgerlastwagens nach Darchen am Fuß des für Buddhisten, Hinduisten und Bön heiligen Berges Kailash. Die Fahrt zusammen mit 20 tibetischen Pilgern gehört zu den Erlebnissen, die ich nie vergessen werde. Weder das dauerspeiende Mädchen noch die Herzlichkeit und die ausgelassene Fröhlichkeit, mit der Schaukeln, Schläge und Staub durch die sandige Wellblechpiste auf der Ladefläche des alten Lastwagens (Marke Dongfeng Benziner) ertragen werden. Für sie kommen wir aus einer anderen Welt. Nach einer Weile diskutieren wir wild über Ausrüstung, woher wir kommen und unseren Familienstatus, ohne dass wir eine gemeinsame Sprache sprechen.

Tibetischer Pilger LKW

Neugierige Pilgerinnen

Nach eineinhalb Tagen auf dem LKW erreichen wir Darchen am Fuße des Kailash. Abends trennen sich die Wege, wir finden eine primitive Unterkunft im Ort. Die Pilger errichten ihre Zelte auf einer Wiese unterhalb des Ortes. Zusammen mit Markus und einem indischen Swami starte ich am nächsten Morgen zwei Stunden vor Sonnenaufgang zur heiligen Kora im Uhrzeigersinn um den Kailash. Am Wegesrand schlafen noch Pilger eingewickelt in ihre Schaffellmäntel bei -5 C. Für uns wird es ein langer Tag mit 53 km und dem Anstieg bis zum Dölma La Pass auf 5700 m. Langschläfer Wolfram entscheidet sich für die Umrundung mit dem Rad. Unterwegs treffen wir viele Pilger und einige Touristen, die mit geführten Touren über den Westen Nepals (Simikot) hierhergekommen waren. Die Preise für solche Touren betragen 1000 bis 1500 Euro pro Woche und damit das zehnfache des Jahreseinkommens einer tibetischen Familie.

Prostrationen

Pilger bei der Kailash Umrundung

Um schneller das Nirvana zu erlangen, werfen sich manche Pilger nieder und umrunden so Körperlänge für Körperlänge den heiligen Berg Asiens. Für eine solche Umrundung benötigen sie drei Wochen. Nachmittags werden wir beim Abstieg von einem Schneeschauer überrascht und finden in einem Teezelt Zuflucht. Dort treffen wir Wolfram, der drei Stunden nach uns gestartet ist und bergauf die meiste Zeit sein Rad tragen musste. Im Zelt gab es Tsampa mit Buttertee, dem tibetischen Nationalgericht. Die klebrige, ziemlich geschmacklose Pampe ist nicht jedermanns Sache, aber sehr nahrhaft. Der Radfahrer kann von hier in einer Stunde gemütlich bergab rollen. Als wir abends Darchen erreichen, brennen schon die Lichter im Ort.

Seite: 1 | 2 | 3 | 4